01.06.14 Mut & Liebe (Ausgabe Juni-August 2014)
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Die Seite ist für blinde Menschen möglicherweise nicht lesbar. Deshalb geben wir den Text hier in voller Länge wieder.
Auf der Doppelseite sind zwei Bilder von der Tandemsternfahrt 2012 mit folgenden Bildunterschriften zu sehen:
1. Bei einer Pause auf der Sternfahrt stehen die 131 Tandems (es waren 131 Tandems, nicht wie im Text zu lesen 120) auf einem Platz vor dem Schloß. Unter dem Bild steht folgender Text:
Radfahren wird mir dem Tandem erst wirklich schön und für Blinde oder Menschen mit Seheinschränkung überhaupt erst möglich. In Offenbach bietet der Tandemclub für Blinde, Sehbehinderte und ihre Freunde e.V. seit 25 Jahren dieses sportliche und integrative Hobby an.
2. Das zweite Bild zeigt mindestens 7 Offenbacher Tandemclub-Mitglieder beim Start zur Sternfahrt auf dem Hof unserer Unterkunft.
Hier der Text des Artikels:
"Das ist ja wie fliegen", ruft die junge Frau aus Kasachstan begeistert, während sie den Maunzenweiher umrundet. Zum ersten Mal fährt sie mit einem Fahrrad, doch ist sie nicht allein. Vor ihr tritt ihr "Pilot" in die Pedale und lenkt sie sicher durch den Wald, denn sie ist blind. Für viele blinde oder seheingeschränkte Menschen ist es undenkbar, Fahrrad zu fahren. Gemeinsam auf einem Tandem mit einem Sehenden ist dies jedoch kein Problem.
"Man braucht natürlich Vertrauen zu seinem Vordermann oder seiner Vorderfrau, dann lernt man es schnell und es macht sehr viel Spaß", erklärt Frau Wenzel, selbst blind, aus eigener Erfahrung. Im Tandemclub Offenbach fährt sie seit Jahren begeistert mit, engagiert sich im Vorstand und organisiert u.a. die Teams für die gemeinsamen Touren.
"Fahrrad fahren ist für blinde und seheingeschränkte Menschen durchaus ein Sport, der sich unkompliziert und mit wenig Aufwand ausüben lässt", erklärt J. Bosten. Seine seheingeschränkte Frau und er haben das Tandem fahren schon lange als ideale, gemeinsam neue Sportart für sich entdeckt. Es trainiert die Fitness, man bewegt sich in der Natur und man trifft nette Leute. Anderen geht es ähnlich, der Offenbacher Club gehört zu den aktivsten im Rhein-Main-Gebiet und die Mitglieder treffen sich wesentlich öfter zu gemeinsamen Touren, als die anderen Vereine z. B. aus Frankfurt oder Darmstadt.
"Unter der Woche unternehmen wir kleinere Feierabendtouren, 14-tägig fahren wir am Sonntag schon mal 45 bis 80 km, ein Mal im Monat, meist samstags bis zu 100 km. Besondere Highlights sind jedes Jahr im Sommer die mehrtägigen Freizeiten mit Fahrten von ca. 200-300 km", erzählt J. Bosten. Da ist schon eine gute Kondition gefragt, aber auch Spaß an Kommunikation und gemeinsame Unternehmungen.
"Wir fahren jetzt durch einen Wald mit Buchen", beschreibt z.B. der sehende Pilot dem blinden Mitfahrer die Umgebung. Geräusche und Gerüche dagegen erleben die seheingeschränkten Mitfahrer besonders intensiv. Auf dem Tandem kann man sich ungestört unterhalten und so ergänzen sich die unterschiedlichen Eindrücke zu besonderen Erlebnissen. Für gemeinsame Wanderungen oder andere Aktivitäten, wie Theaterbesuche, Kochen u.a. treffen sich die Mitglieder des Tandemclubs auch ab und zu. Die Feierabendtouren und die lange Samstagstour werden auch im Winter, wenn das Wetter es zulässt, angeboten.
Vom Alter und auch von den kulturellen Wurzeln her sind die Mitglieder bunt gemischt. Einige haben z.B. türkische, marokkanische, palästinensische, israelische Wurzeln oder kommen aus Kasachstan, wie die junge Frau, die am Maunzenweiher ihre erste Runde auf einem Fahrrad fuhr. Doch durch das gemeinsame Hobby sind schon langjährige Freundschaften entstanden und sogar eine Ehe.
Die bisher größte, sportliche Herausforderung für die Tandemfahrerinnen und -fahrer war die Einladung zu einer Sternfahrt nach Berlin. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Deutschland feierte dort 2012 sein 100-jähriges Bestehen. Die Offenbacher machten sich mit fünf Tandems auf den Weg. Zwei Teams starteten von Fulda, drei weitere stießen in Bitterfeld dazu und zusammen erreichten sie nach insgesamt sechs Tagen und 648 km die Hauptstadt. "Es war ein tolles Erlebnis, viele Straßen waren extra gesperrt und wir fuhren gemeinsam mit 120 Tandems aus unterschiedlichen Ländern durch die ganze Stadt", berichtet Frau G. Bosten, immer noch begeistert.
150.000 Fahrradfahrer bewegten sich dann bei der abschließenden Sternfahrt des ADFC auf den Straßen Berlins. "Keiner von uns hatte je so viele Fahrradfahrer zusammen auf der Straße erlebt."
Mit unvergesslichen Eindrücken und vielen neuen Kontakten im Gepäck ging es dann zurück nach Offenbach. Im Sommer feiert der aktive Club bereits sein 25-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumsfreizeit (11. bis 15. Juni). Interessierte Tandemteams, auch Nichtmitglieder, sind herzlich eingeladen, die Tour zu begleiten. Aber auch sonst können Interessierte jederzeit zu Probetouren vorbeischauen und mitfahren (Anfragen an: kontakt@tandemclub-offenbach.de). Voraussetzung für die Piloten ist sicheres Fahrradfahren und etwas Kondition. Wer noch nie Tandem gefahren ist, bekommt zunächst eine Einführung und kann es in Ruhe ausprobieren.
Info: www.tandemclub-offenbach.de
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